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Telegrafenstraße 1

42929 Wermelskirchen

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Das Kino

Das Kino an der Telegrafenstrasse wird 90.

Kinogeschichte / -geschichten

Aufgeschrieben von Klaus Schiffler

Im Herbst 1927 richtete Ewald Schiffler zusammen mit seinem Sohn Erich im Saal seines „Restaurant Reichshalle“, der bis dahin hauptsächlich für Vereinsveranstaltungen, Tanz – und Varietéprogramme genutzt wurde, einen Kino-Betrieb ein.

Das Kino wurde am 14. Oktober 1927 eröffnet unter dem Namen „Reichshallen-Lichtspiele“.

Saal um 1900

Postkarte mit Saalansicht aus der Vor-Kino-Zeit

Im Wermelskirchener Tageblatt war darüber zu lesen:

Reichshallen-Lichtspiele. Unter diesem Namen eröffnet am heutigen Abend Herr Ewald Schiffler in seinem Saale ein neues Lichtspieltheater. Schifflers Saal, der natürlich nach wie vor auch den Vereinen zur Verfügung steht, ist für die Lichtspielvorführung den Vorschriften entsprechend eingerichtet worden. Das Mittelschiff ist mit 300 feststehenden Sitzplätzen ausgestattet. Der Raum ringsum unter der Galerie bleibt als geräumiger Gang frei. Die Fenster sind abgeblendet und an der linken Seite führt ein breiter Notausgang direkt ins Freie. Bei den Lichtspielvorführungen bleibt die Galerie von Besuchern frei. Der Vorführraum ist oben hinter der Galerie feuersicher eingebaut, von dem eine eiserne Treppe nach außen führt. Abgeblendete Lichter zeigen die Platzeinteilung an und neben der Bühne ist ein Raum für die Musiker geschaffen. Über den Eröffnungsspielplan, der für heute und Sonntag gilt, finden unsere Leser Genaueres im Anzeigenteil und unter der Rubrik „Aus der Filmwelt“.

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Eröffnungsanzeige im “Wermelskirchener Tageblatt”

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Das neue Kino.

Eine der alten Bühnenkulissen wurde weiss gestrichen und als Bildwand benutzt. Als Bestuhlung wurden die vorhandenen Stühle mit selbst gefertigten Vorrichtungen zu Stuhlreihen zusammengeschraubt und am Boden befestigt. Damit verfügte der Saal über die in den neuen Bauvorschriften geforderte feste Bestuhlung.

Die vorhandenen Saaltische wurden vor der Bühne zusammengestellt und mit Tüchern abgedeckt.

Um den bau- und feuer-polizeilichen Vorschriften zu genügen, nach denen der Betrieb von Vorführmaschinen im Saal nicht mehr gestattet war, wurde in einer Ecke der „Galerie“ (dem heutigen Balkon) ein kleiner Vorführraum feuersicher abge-teilt. Als erste Vorführ-maschine wurde ein Liesegang-Projektor mit damals üblicher, offener Bogenlampe installiert. Der für das Projektionslicht erforderliche Gleichstrom wurde durch einen im Keller installierten Gleich-stromgenerator erzeugt.

Die Filmvorführungen wechselten in der Anfangszeit noch mit anderen Veranstaltungen im Saal, wobei jeweils die Bestuhlung umgestellt und ggf. durch die Tische ergänzt wurde.

Das Kino mausert sich

Im Januar 1928 wurde ein Filmvorführer eingestellt, Herr Leo Michel, gelernter Elektrotechniker, der bis dahin in einem Kino in Lennep beschäftigt war. Leo Michel hat in dieser Position dem Haus die Treue gehalten, bis er sich im Jahr 1973 im Alter von 71 Jahren zur Ruhe setzte. Seine Tätigkeit beschränkte sich nicht nur auf die Vorführung der Filme, sondern er arbeitete von Anfang an auch an der Verbesserung der Vorführ-Technik und übernahm Pflege und Wartung der gesamten Anlage.

Ebenfalls 1928 wurde der Liesegang-Projektor durch einen Bauer M5-Projektor ausgetauscht, der heute wieder im Saal zu sehen ist.

Die Bestuhlung wurde durch festen Einbau von Kino-Klappstühlen erneuert, der Saal wurde nun regelmässig und fast ausschliesslich im Kino-Betrieb genutzt. Die Vorführung erfolgte mit einem Projektor, wobei nach jedem „Akt“ (Filmrolle mit ca. 400m 35mm-Film) zum „Akt-Wechsel“ unterbrochen wurde. Zur Vorführung kamen Stummfilme, die mit Klaviermusik (live) begleitet wurden. Dazu erfüllte das alte Saal-Klavier aus den vorangegangenen 90-igern noch gut seinen Zweck. Das alte Instrument ist zwar auch noch vorhanden, leider aber nicht mehr einsatzfähig.

 

Nicht nur Sehen, auch Hören

1931 wurde während einer kurzen Umstellungspause die Vorführanlage auf Tonfilm umgerüstet. Zur Wiedereröffnung  am 12. September 1931 ging mit „Eine Freundin so goldig wie Du“ der erste Tonfilm in Wermelskirchen über die Leinwand..

 

Die lokale Presse schrieb dazu am 11. September 1931:

Der Tonfilm ist da!

Die Reichshallen-Lichtspiele eröffnen morgen! - Wie es zu dieser Erfindung kam - Die technischen Einzelheiten - Das erste Programm

Die Reichsallen-Lichtspiele öffnen morgen wieder ihre  Pforten. Das beliebte große Lichtspielhaus ist inzwischen zum Tonfilm-Theater  umgewandelt worden. Rein äußerlich ist daran nicht viel zu sehen, da der Tonfilm-Apparat in der oben hinter dem Saale befindlichen Kabine eingebaut ist, während der Lautsprecher hinter der neuen großen Vorführungsfläche, der Projektionswand, angebracht wurde.

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Die neue indirekte Beleuchtungsanlage an der Saaldecke fällt angenehm auf und gibt dem Raum ein modernes Gepräge.

Mit der Wiedereröffnung beginnt die Winterspielzeit, für die sich die Reichshallen-Lichtspiele die Aufführungsrechte  bedeutender Spitzenfilme gesichert haben. Selbstverständlich verbleibt auch der„““stumme“ Film mit auf dem Programm.

*

Kaum war die Kinematographie selbst erfunden -– freilich steckte sie noch in den Kinderschuhen -– als die Erfinder ruhelos die Arbeit am Tonfilm aufnahmen. Die Menschen und die Natur in ihrer Bewegung festzuhalten war gelungen, um die Illusionen vollkommen zu machen, fehlte die Sprache, Musik, Geräusch. Das lebende und sprechende Bild hieß es damals, als alles Mühen der Filmpioniere um das eine Problem kämpft: Das stumme Filmbild – durch Verbindung mit der Schallplatte – auch akustisch zu beleben. Zwei Jahrzehnte ruhten dann die Bemühungen. Erst galt es, dem stummen Film technische Vervollkommnung zu geben, bis er zu einer neuen ästethisch-geistigen Ausdrucksform wurde, die sich die zivilisierte Welt eroberte. Dann erst schlug die Stunde des Tonfilms! In unermüdlicher Arbeit waren die Erfinder, die Konstrukteure, am werk. Es gelang das fast Unbegreifliche: Schall in Lichtschwankungen umzusetzen, diese gleichzeitig auf dem Zelluloidstreifen zu bannen – und umgekehrt das photographische Abbild wieder in Töne zurück zu verwandeln. Es gelang weiter mit den Mitteln einer inzwischen unerhört vervollkommneten, um das Radio bereicherten Technik, auch das Problem Filmprojektion und Schallplatte zu lösen. Es gelang die Konstruktion von Lautverstärkern und Lautsprechern, die den Schall unverzerrt jeder räumlichen Größe anzupassen, zu vergrößern imstande sind. Mit diesen Leistungen der Technik war der historische Entwicklungspunkt gekommen, wo der Tonfilm aus dem Laboratorium heraus in die Welt treten konnte, um sie zu erobern. Schon hat er seinen Siegeszug angetreten. Das Filmwesen ist durch den Tonfilm von Grund auf geändert. Die deutsche technische Wissenschaft hat das Tonfilmproblem gelöst und man darf ihr vertrauen, dass sie mit dem Ausland Schritt zu halten imstande sein wird.

*

Das Tonbild wird über einen besonderen Projektor geleitet, wo es von einer kleinen hochkerzigen Lichtquelle durchleuchtet wird. Die Lichtstrahlen, durch das Tonbild beeinflusst, treffen mit wechselnder Helligkeit eine Photozelle, welche sie in hochfrequente Ströme umwandelt und diese einer Verstärkeranlage weiterleitet. Durch diese Verstärkeranlage werden die Ströme der Lautsprecheranlage, die sich hinter der Projektionswand befindet, zugeleitet, die sie als Schallwellen wiedergibt.

*

 Die Reichshallen-Lichtspiele bringen zur Eröffnung den von der Großstadtpresse glänzend beurteilten Tonfilmschlager „Eine Freundin so goldig wie Du“. Wir hatten gestern abend die Gelegenheit, die Tonfilm-Apparatur erstmals in Funktion zu sehen, vielmehr zu hören. Die Wiedergabe war klar und deutlich im Ton und im Bilde einwandfrei wie früher. Die moderne und kostspielige Anlage funktionierte tadellos, Bild und Ton klappten zueinander, ohne störende Nebengeräusche. Die Reichshallen-Lichtspiele können nun mit dem Großstadt-Licht-Ton-Theater konkurrieren.

Zu dem Eröffnungsprogramm sei folgendes gesagt: Der große Tonfilm „Eine Freundin so goldig wie Du“ ist einer der neuesten Ton- und Sprechfilme, der nachstehenden Inhalt hat: Anna will mit einem uralten Autoklapperkasten eine Fahrt um die Welt antreten. Sie lernt jedoch unterwegs einen jungen sympathischen Mann, Dr. Jack Braun, kennen, der sie zu sich nach Berlin einladet. – Hier stellt sie die ganze Wohnung auf den Kopf. Unglücklicherweise liegt Dr. Braun in Scheidung und Anna bringt ihn in schrecklich unangenehme Situationen. Um das Unglück voll zu machen, erscheint noch Jacks alte Tante, die Anna für seine Frau hält. – Es kommen noch einige komische Zwischenfälle, bis Anna doch Jacks Frau wird. – Die Hauptdarsteller sind Anni Ondra, Felix Bressart, Siegfried Arno, Andr.. Pilot, Adele Sandrock, Fritz Alberti, Teddy Bill, und Wilhelm Bendow.

Der Lacherfolg ist gewaltig! Die Inszenierung Karl Lamahs nutzt jede Situation nicht restlos aus, sondern bleibt immer bemüht, die Komik der Geschehnisse noch zu steigern. Es ist eine Tonfilmgroteske, die mit lustigen Einfällen gespickt ist, so gut gespickt, dass selbst ernste Leute einen leisen Schmerz in den zum Lachen gebrauchten Muskeln feststellen können. – Im Beiprogramm folgt die Tongroteske „Toby im Museum sowie der Kulturfilm William Fairbanks, der Sieger“.

*

Es ist wohl nicht daran zu zweifeln, dass die Reichshallen-Lichtspiele, denen man zu der Umstellung auf den Tonfilm gratulieren darf, zu der Eröffnung ein volles Haus haben werden. Für die Zukunft werden gute Filme dasselbe erwarten lassen.

Die Eintrittspreise sind unverändert!

 

In der Folgezeit lief im sog. Zwei-Schlager-Programm je ein Tonfilm und ein Stummfilm – nun jedoch mit Schallplattenmusik über die neue Tonanlge. Die Stummfilm-Vorführung erforderte zwei Mann, nämlich den Filmvorführer, der mit 10-15-minütigem Aktwechsel, (handbetriebenes) Rückspulen des gerade abgespielten Aktes, Regulierung der Bildschärfe und der Projektionslampe voll ausgelastet war sowie den Schallplatten-Bediener (heute DJ), der auf der Zwei-Teller-Anlage die bei einer Extra-Vorführung ausgesuchten oder vom Film-Verleiher in einer mitgelieferten Liste angegebenen Titel synchron zum Film abspielen musste. Diese Aufgaben teilten sich Leo Michel und Erich Schiffler. 

Da Stumm- und Tonfilme unterschiedliche Laufgeschwindigkeiten hatten, musste für jeden Filmtyp der Antriebsriemen auf einen entsprechenden Antriebsmotor gewechselt werden.

Um eine unterbrechungsfreie Vorführung zu ermöglichen wurde in Selbstherstellung eine sog. Aknap-Einrichtung ausgearbeitet  und eingebaut.

 

Es wird immer besser

Mitte der 30er Jahre wurde ein neuer Vorführraum gebaut. Zu dem vorhandenen Bauer M5-Projektor kam ein zweiter Projektor, ein Ernemann IV, hinzu. Zur Speisung der Projektionslampen wurde eine neue Umformeranlage im Vorführraum installiert. Die Filmvorführungen konnten nun durch Wechsel von einer zu anderen Maschine unterbrechungsfrei erfolgen. Die Überblendung beim Aktwechsel erfolgte manuell.

Zu dieser Zeit kam auch das sog. Einschlager-Programm auf, bei dem nur noch ein Tonfilm zusammen mit einer Wochenschau und einem „Kulturfilm“ gezeigt wurde.

Der Boden im hinteren Saalbereich wurde schräg angehoben, sodass die Sicht für die hinten sitzenden Zuschauer etwas verbessert werden konnte. Gleichzeitig wurde der Vorraumboden auf gleiches Niveau angehoben und die Zugangs-Treppen entsprechend verlängert. 

Nach dem Tod von Ewald Schiffler im Jahr 1936 wurde das Kino von der Erbengemeinschaft weitergeführt. Die Geschäftsführung übernahmen die Töchter von Ewald Schiffler, Ada und Luise. Erich Schiffler schied später aus der Erbengemeinschaft aus und übernahm das Haushaltwarengeschäft seines Onkels in der Telegrafenstrasse.

Konkurrenz hebt das Geschäft

1950  - zur Zeit des beginnenden Kino-Booms - bekam das Kino Konkurrenz.

In unmittelbarer Nähe, nicht einmal 100m entfernt wurde das neu erbaute „PARK-THEATER“ eröffnet. Ein Kino mit 600 Sitzplätzen, grosser Bühne, Orchestergraben und Künstlergarderoben, in dem auch Theatervorführungen der Kulturgemeinde stattfanden. Nachdem der Theaterbetrieb in die neu eröffnete Aula der der Realschule  verlagert war und das grosse Kino-Sterben eingesetzt hatte, wurde das Kino im Februar 1969 geschlossen. Heute beherbergt der Bau den NORMA-Markt.

 

Der Umbau

1952 wurden die REICHSHALLEN-LICHTSPIELE grundlegend renoviert und umgebaut.

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Die Seitenbalkone, die bis zur Bühnenwand gereicht hatten, wurden bei den ersten Säulen abgeschnitten. Das alte Balkongeländer wurde durch eine neue Balkonbrüstung ersetzt. Der Aufgang zum Balkon erfolgte über eine neue Treppe vom Vorraum aus.  Die Saalwände wurden mit lindgrünem Plüsch bespannt. Die Saaldecke erhielt einen farblich abgestimmten neuen Anstrich.

Der offene Zugang zum Saaleingang wurde überdacht und zu einem zusätzlichen Vorraum mit einer äusseren Glastüre und mit zwei Theaterkassen ausgebaut. Der Kinoeingang erhielt eine über den Gehweg ragende Kragplatte, auf der eine Säule mit senkrechtem Neon-Schriftzug „REICHSHALLEN“ thronte

Die Kinokasse, die bis dahin unter der Balkontreppe untergebracht war, wurde zu einem Abstellraum umfunktioniert.

Die Bühne wurde vollständig umgebaut. Der Bühnenausschnitt wurde vergrössert und erhielt einen neuen Rahmen mit vorgezogenem Deckenteil mit Licht-Ausschnitten, einer Vorhang-Beleuchtung und an den Seiten verdeckte senkrechte Lichtleisten zur indirekten Beleuchtung. Die bisher im Bühnenraum verschiebbare Bildwand wurde durch eine im hinteren Bühnenraum fest installierte grössere Wand ersetzt. Zum Vorführungsbeginn gab ein elektrisch betriebener silberfarbener Plüschvorhang das Bild frei.

 

Eine neue Bestuhlung wurde eingebaut. Der Saalbereich erhielt für den ersten bis dritten Platz 400 Holz-Klappstühle, ungepolstert. Die gleichen Kinostühle wurden einzeln, hintereinander entlang der Brüstung auf den Seitenbalkonen installiert (Platzkategorie: 1. Platz, Seite). Im hinteren Balkonbereich wurden 86 gepolsterte Kinosessel auf fünf geschwungenen Stufen eingebaut Das Kino verfügte nun über 496 Sitzplätze, die allerdings selten ausreichten. In fast jeder Vorstellung wurden Stühle aus den alten Saalbeständen zugestellt und Stehplätze verkauft. 600 Besucher in einer Vorstellung waren nicht selten, oft mussten selbst in kalten Wintern Türen und sonstige „Luftlöcher“ geöffnet und die Heizung abgeschaltet werden, um das Raumklima erträglicher zu machen.

 

Die Bergische Morgenpost berichtete zur Wiedereröffnung am 25. Juli 1952:

Reichshallen-Lichtspiele im neuen Gewand

Vergrößert und modernisiert nach neuesten Erkenntnissen – Morgen Wiedereröffnungg

Es war im Jahr 1890, als der heutige Reichshallen-Saal erbaut und zur Kirmes mit Varieté-Vorstellungen der Gesellschaft Steinbüchel eröffnet wurde. Der Erbauer, Herr Albert Schiffler, der Großvater der heutigen Inhaber hatte damit den größten Saal unserer Stadt errichtet und seiner Gastwirtschaft angeschlossen. 23 Jahre später, 1913 übernahm dessen Sohn, Herr Ewald Schiffler, der 1936 verstarb, die Gaststätte mit dem Saal, in dem er 1927 die Reichshallen-Lichtspiele eröffnete. Bis dahin war der Reichshallen-Saal  die Stätte zahlreicher Festlichkeiten, Bälle und Theater-Aufführungen, wie vielen Lesern noch in Erinnerung sein wird. Im Herbst werden es 25 Jahre, daß in dem Saal der Film einzog. Der damaligen Stummfilmzeit folgte 1931 der Tonfilm. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde dann der hiesige Architekt Schoenenborn mit dem Umbau und der Modernisierung des Kinos beauftragt, der in diesen Jahren Zug um Zug, damit die Spielzeit nicht unterbrochen wurde, die zum Teil recht komplizierten Arbeiten leitete und durchführte.

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Zuerst wurde damals der Eingang erneuert und umgestaltet. Zwei Kassen wurden errichtet. Dann erfolgte die Umgestaltung des Aufgangs zu den Rängen und die Errichtung des in freundlichen, hellen Farben gehaltenen Foyers nebst Garderobe. Anschließend hat man im Saale die tragenden Stützen  für die Ränge und des Daches standfest gemacht und umkleidet. Der hintere Rang wurde radial vorgezogen und neu bestuhlt. Danach erhielten die Seiteränge neue Böden und an der Brüstung neue Bestuhlung. Die weitere Arbeit für die Abrundung der Seitenränge, eine Stützfeldlänge vor der Bühne und die Verkleidung der Brüstungswände mit akustischen Platten, wie sie bereits der hintere Rang  zeigte . An der Westseite des Saales, kurz hinter dem Saaleingang, sind zwei Ausgänge vorgesehen für die noch zu errichtenden Toilette-Anlagen. Die Umgestaltung  und Modernisierung der Bühne und die Ausstattung des Saales  wurde nun dem Düsseldorfer Theater-Architekten Rüttgers übertragen. Dieser hat nun den Saal und die Bühne  nach den letzten Erfahrungen  der Kino-Akustik ausgestattet und in der innenarchitektonischen Note sowohl auf  äußerste Zweckmäßigkeit wie auch sehr ansprechende Form und Farbgebung abgestimmt. Die Wandflächen im Saal wie auf den Rängen sind unten einen Meter hoch, mit dunkelgebeiztem Sperrholz, und darüber, wie auch die Balkonbrüstungen, mit blaugrünem Samt bekleidet. Die Saaldecke ist elfenbeinfarbig und die Seitendecken sind in rötlichem Grau gehalten, während die Säulen einen dunklen Anstrich zeigen. 16 seitlich, unten und oben angebrachte zweiarmige messingene Beleuchtungskörper erhellen den großen Raum. Die bisherige Deckenbeleuchtung kam in Fortfall und die dortigen Öffnungen dienen jetzt der Entlüftung.

Auf die Neugestaltung der Bühne bzw. des Bühnenrahmens ist besonderer Wert gelegt worden. Die Bühne wurde rechtwinklig zur Achse des Raumes gestellt und zugunsten der Saalgröße etwas zurückverlegt, wodurch Raum für einige weitere Sitzreihen geschaffen wurde. Die modern-einfache Stilbühne, die nach wie vor für szenische Darstellungen benutzt werden kann, zeigt den Hintergrund, die Kulissen und die Soffitten in kaiser-blauem Stoff. Vom Saal führt in der Mitte der Bühne eine geschwungene fünfstufige Treppe zur tiefergelegten Rampe. Seitlich sind zwei große Bühnenhohlen mit indirekter Beleuchtung angeordnet. Die Decke des Bühnenrahmens enthält sieben Beleuchtungskuppeln. Der silber-graue Seidenvelvet-Vorhang wird gleichfalls von oben angestrahlt. Die vergoldeten Profile des Rahmens vervollständigen recht wirkungsvoll das prächtige Gesamtbild. Die moderne Ausgestaltung und die festlich-repräsentative Ausstattung des Theatersaales schaffen ein sympathisches Milieu.

Am morgigen Samstag erfolgt die Wiedereröffnung. Filmprogramm und Anfangszeiten werden im Anzeigenteil der Samstagsausgabe veröffentlicht.

Die umgebauten Reichshallen – Lichtspiele wurden am Samstag, den 26. Juli 1952 mit dem im Februar des gleichen Jahres uraufgeführten ersten deutschen Farbfilm wieder eröffnet.

Die Programmankündigung erfolgte mit nebenstehender Zeitungsanzeige.

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Technische Verbesserungen

1953 wurde die im Hof untergebrachte Toilettenanlage abgerissen und durch einen vom Vorraum zugänglichen Neubau ersetzt.

 

1954 wurde der Vorführraum umgebaut.

Der innen liegende Treppenaufgang wurde nach aussen verlegt. Dadurch wurde mehr Platz für die neuen, grösseren  Maschinen gewonnen.

Die beiden alten Maschinen wurden ersetzt durch zwei neue Zeiss-Projektoren vom Typ Ernemann IX. Die Bauer M5 wurde eingemottet, die Liesegang kam zum Einsatz im Kino in Hilgen und verschwand dort, als das Kino geschlossen wurde.

1958/59 wurde das Kino noch einmal verändert.

Durch Einführung des neuen Bildformates CINEMASCOPE und die Forderung nach möglicht grossen Bildwänden reichte der bisherige Bühnenausschnitt nicht mehr aus. Ausserdem störten die Seitenbalkone und die Säulen bei der Projektion eines breiteren Bildes.

Die Seitenbalkone wurden daher bis zu den letzten Säulen abgeschnitten. Die Säulen wurden entfernt, der Dachstuhl wurde durch zusätzliche Stahlbinder verstärkt. Der verbleibende hintere Balkon wurde auf zwei Stahlsäulen gestellt.

Der Bühnenrahmen wurde breiter ausgeschnitten und mit einem neuen Vorhang versehen.

Die Bildwand wurde durch eine nun elf Meter breite Wand ersetzt. Der alte Vorhang wurde mit Seitenstreifen aus schwarzem Samt versehen und als Formatvorhang2 verwendet.

Die Wandbespannung musste erneuert werden und wurde durch die heute noch vorhandene  zweifarbige Kunststoff-Bespannung ersetzt.

1964 begann Leo Michel mit Automatisierung des gesamten Vorführbetriebes.

Die Verdunkler für Saal- und Bühnenlicht wurden motorisiert und mit Relais-Steuerung versehen. Der Start der Projektoren, Betätigung der Vorhänge, Saal- und Bühnenlicht erfolgte über Relais-Steuerung von abgesetzten Schaltpulten aus. Zur Überblendung beim Aktwechsel wurden durch Kontaktstreifen, die am Aktende auf dem Film aufgeklebt waren, Schaltimpulse gegeben, die die Umschaltung der Maschinen auslösten. Lediglich das Einlegen der einzelnen Filmrollen blieb noch als manuelle Tatigkeit.

1966 wurden die bisherigen 400m-Trommeln durch Neue mit einem Fassungsvermögen von 1800m Film ersetzt. Jetzt konnte das gesamte Programm verteilt auf zwei Rollen mit den beiden Projektoren ohne Film-Nachlegen vorgeführt werden 

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Leo Michel in seinem “Reich”

Die bisherigen offenen Bogenlampen wurden durch Bogenlicht-Kolben (XENON-Licht) ersetzt. Damit entfiel die Kontrolle und Nachstellung der Lampenkohlen ganz.

Die Vorführung erfolgte von jetzt an vollautomatisch nach Start des ersten Projektors.

Für die Schaltvorgänge am Ende der Vorstellung hatte Leo Michel einen Walzen-Automaten gebaut zu dem er später auch noch einen Start-Automaten mit ähnlicher Technik anfertigte. Dank dieser Aufrüstungen wird heute das Filmprogramm mit einem Knopfdruck von einem Schaltpult im Saal gestartet. Ein Filmvorführer im Vorführraum ist nicht mehr erforderlich. Ausser!  bei Filmrissen und Schaltstörungen ist Fitness im Treppenlaufen gefragt.

 

Das Kino in der dritten Generation

Im Januar 1972 wurde das Kino nach dem plötzlichen Tod von Luise Schiffler -  ihre Schwester Ada war bereits 1968 gestorben – geschlossen.

Am 3.März 1972 eröffneten Christel und Klaus Schiffler das Kino wieder, um es – nun in der dritten Generation - weiterzuführen. Als erster Film lief der Streifen „Hochwürden drückt ein Auge zu“ über die Leinwand.

Der bisherige Programm-Rhythmus wurde weitgehend beibehalten. Freitags und dienstags war Programmwechsel, Samstags wurde wie bisher um 15.00 Uhr eine Jugendvorstellung gegeben. Allerdings wurde der Donnerstag als wöchentlicher Ruhetag eingeführt. In den Sommerferien wurde zusätzlich eine Betriebspause von 4 Wochen eingelegt.

Wegen des schwachen Besuches an den Wochentagen wurde nach ca. einem Jahr auf einen Programmwechsel am Dienstag verzichtet, es gab nur noch einen Film in der Woche und die gesonderte Jugendvorstellung. Später wurden auch der Dienstag und Mittwoch als Spieltage gestrichen, nachdem der Besuch an diesen Tagen immer schwächer geworden war.

Ein besonders grosses alternatives Freizeitangebot, Fernsehen, Video, Auto, Motorrad und andere Angebote machten dem Kino allgemein zu schaffen. Hinzu kam ein zu geringes Angebot an guten Filmen. Es war die Zeit der Sex- und Eastern-Filme, für die nur ein bestimmter Besucherkreis zu begeistern war. Für das Kino in Wermelskirchen war ein weiteres Problem die späte Belieferung mit aktuellen Filmen. Wartezeiten bis zu einem viertel Jahr wurden vom Publikum nur selten hingenommen und so wanderte ein Teil der Besucher in die angrenzenden Grossstädte ab.

 

Schliessen oder Verkleinern?

Rückgang des Kinobesuches und ständig steigende Energiekosten zwangen zu der Überlegung, das Kino zu schliessen oder versuchsweise drastisch verkleinert weiter zu betreiben.

Zunächst bestand die Absicht, nur den bisherigen Balkon als Kino zu belassen und den Saal anderweitig zu nutzen. Aufgrund von Anregungen der Besucher, Vorschlägen aus Verleiherkreisen und nach Besichtigung anderer verkleinerter Kinos in der Umgebung wurde dieser Plan zugunsten der heutigen Lösung fallen gelassen.

1986 wurde ein nochmaliger Umbau des Kinos in Angriff genommen. Die Reichshallen- Lichtspiele wurden geschlossen, um nach 4 Wochen Umbau und radikaler Verkleinerung als Film-Eck wieder zu öffnen.

Die Leinwand wurde auf einer Trennwand 7 Meter weit in den Saal hineingezogen. Von den 270 Polstersesseln, die 1983 vom Metropol-Theater in Remscheid nach dessen Schliessung übernommen worden waren, blieben noch 92 Plätze mit üppigem Reihenabstand und zwei zusätzlichen Mittelgängen übrig. Der Balkon wurde nicht mehr genutzt. Im hinteren Teil des Saales wurde eine Bar-Theke eingebaut, die Gehtränkeverkauf und -einnahme auch während der Vorstellung erlaubt.

Das Kino wird seitdem als Service-Kino weitergeführt.

Der Spielfilmbetrieb

Der Programmablauf hat sich grundlegend gewandelt

  • Werbeeinschaltungen, die wegen zu geringer Abwechslung langweilig und störend geworden waren, gibt es nicht mehr.
  • Die Wochenschau ist durch die aktuelleren Nachrichten des Fernsehens  überholt worden und gehört ebenfalls der Vergangenheit an.
  • Kulturfilme, die hauptsächlich aus steuerlichen Gründen vorgeschaltet waren, werden nicht mehr eingesetzt, nachdem die Spielfilme fast  ausnahmslos mit künstlerischem Wert eingestuft und damit steuerlich begünstigt sind.
  • Geblieben sind Programmausschnitte aus kommenden Filmen, die heute noch vor dem eigentlichen Hauptfilm gezeigt werden.

Der Spielplan sieht vier Spieltage am Wochenende vor, Freitag bis Montag. In der Regel läuft an diesen Tagen ein Spielfilm, in den Wintermonaten wird je nach Angebot zusätzlich ein Kinderfilm in den Nachmittagsvorstellungen gezeigt.

Als Phänomen hat sich der Kinotag am Montag herausgebildet. In den 70er Jahren von der Filmwirtschaft zur Umsatzsteigerung ins Leben gerufen, dümpelte diese Aktion über Jahre vor sich hin. In Wermelskirchen wurde sie ganz allmählich stärker. Als diese Einrichtung mangels Wirkung bei fast allen Kinos wieder abgeschafft wurde, entwickelte sich diese Kino-Vorstellung in Wermelskirchen zu einem unverzichtbaren Treffpunkt der hiesigen und auch auswärtiger Kinofans.

Erweitertes Angebot

Zusätzlich wurden mit dem Traumkino und dem Kirchenkino zwei Filmreihen eingerichtet, die regelmäßig an bisher spielfreien Wochentagen gezeigt werden.

Traumkino begann am 2. Oktober 2007 als Initiative von Haus der Begegnung, Seniorenbeirat und Film-Eck in Wermelskirchen mit dem Film The Queen mit einer Vorstellung um 15.00 Uhr, zu der vorher von den ehrenamtlichen Damen von Haus der Begegnung Kaffee und selbst gebackener Kuchen gereicht wurde. Die zweite Veranstaltung war am 6. November mit gleichem Ablauf und gleichem Erfolg. daraufhin wurde beschlossen, diese Filmreihe in dieser Form ab Januar 2008 an jedem 1. Dienstag eines Monats fort zu setzen, allerdings mit jetzt 2 Vorstellungen (15.00 und 17.30 Uhr), um dem Zuschauerandrang gerecht zu werden.

Kirchenkino wurde auf Betreiben des Gesprächskreises der ev. Kirchengemeinde Wermelskirchen ins Leben gerufen und zeigt in 9 Monaten, jeweils einmal an einem Mittwoch um 20.00 Uhr, ausgesuchte Filme zu besonderen Themen und Gesellschaftsfragen.

Ein weiterer fester Programmpunkt des Film-Eck ist das Theater des Kulturvereins Wermelskirchen, das von September bis Mai jeweils einmal im Monat an einem Donnerstag mit Schauspiel auf der kleinen Bühne unterhält.

Ausserdem öffnet das Kino seine Pforten auf Anfrage, vornehmlich an spielfreien Tagen,  zu Film-Sonderveranstaltungen für Schulen und Vereine, Vorträge, Autorenlesungen und andere. Wegen der zunehmenden Zahl an Sonderveranstaltungen und der damit verbundenen Rüstzeiten sowie der verschäften Bedingungen für die Anmietung von Filmen kann das Kino für bisher ausgerichtete private Familienfeiern nur noch sehr eingeschränkt zur Verfügung gestellt werden.

 

Das Film-Eck hat mittlerweile einen Besucherstamm, der sich aus fast allen Alterstufen rekrutiert. In zunehmendem Masse kommen Leute, denen die grossen Kinopaläste nicht mehr zusagen und die sich für das Kino in seiner alten Form begeistern. Solange dieser Trend anhält, ist es für die Betreiber trotz gelegentlicher Widerwärtigkeiten im Grunde eine Freude, die Besucher als Gäste in traditionsreichem Hause begrüssen und unterhalten zu können.

In letzter zeit wurden weitere technische Veränderungen vorgenommen.

Mit der Installation eines leistungsfähigen digitalen Projektors ist in begrenztem Umfang nun auch die Projekltion von digitalen Medien möglich.

Nach wie vor ist jedoch das Hauptmedium der gute alte 35mm-Film. Hier wurde im Sommer 2011 eine Filmtellereinrichtung installiert, bei der die gesamte Filmkopie mit bis zu 4 Stunden Laufzeit auf einem Träger und so mit nur einem Filmprojektor vorgeführt werden kann. Der bisher erforderliche zweite Projektor wurde abgebaut.

. . . mit neuer Technik in die Zukunft.

Die Digitalisierung hat auch vor dem ehrwürdigen Kinofilm nicht Halt gemacht. Mit dem Ende des Jahres 2013 hat der 35mm Film hat als Bild - und Tonträger ausgedient. Die Zeit der 20 - 30 kg schweren Filmkopien ist für neue Filmproduktionen vorbei. Vorbei ist auch das Spulen und Kleben des Filmprogramms und vor Allem das vertraute Rasseln der Projektoren, wenn der Film ruckweise mit 24 Bildern pro Sekunde ablief.

Auch im Film-Eck hat die digitale Projektion Einzug gehalten. Allerdings nicht mit dem von der Filmwirtschaft gewünschten Investitionen im oberen 5-stelligen Bereich sondern mit einer finanziell und technisch überschaubaren Software-Lösung mit einem leistungsfähigen, speziell konfigurierten PC. An dieser Stelle sei an die tatkräftige fachliche Unterstützung durch Ralf Preyer gedacht, der im Januar 2014 leider verstarb.

Diese einfache Lösung macht es möglich, dass der Kinobetrieb im Film-Eck in gewohnter Weise fortgeführt werden kann. Allerdings wird das gewählte Verfahren von den amerikanischen Filmproduzenten/-verleihern nicht anerkannt, was bedeutet, dass deren Produktionen nicht in derart ausgestatteten Kinos laufen dürfen. D. h. im Film-eck werden bis auf Weiteres, Änderung dieser Richtlinien, diese Filme nicht gezeigt werden. Diese “Lücke” werden wir aus dem reichhaltigen Angebot guter deutscher und europäischer Produktionen zu schließen versuchen. Wir sind überzeugt und durch die Vergangenheit bestärkt, dass wir auch in der Zukunft gute Kino-Unterhaltung bieten können.

Heute kommt der Film als Datenpaket (Digital Cinema Package, sog.  DCP) auf einer Computer-Festplatte ins Haus. Die Vorspanne (Trailer) werden aus dem Internet herunter geladen. Das Filmprogramm wird am Computer zusammengestellt und von diesem auf einen digitalen Projektor übertragen. Ganz ohne Schere, Klebepresse und Spulentiscxh. Ein völlig neues Gefühl für den Operateur. Sein neues Werkzeug Tastatur und Maus.

: Am Freitag, 13. Dezember 2013 lief im ausverkauften Saal die erste vollständig digitale Filmvorführung im Film-Eck - trotz des Datums - störungsfrei.

Gezeigt wurde der Film “Fack ju Göhte”, eine “sehr zeitgemäße”, nach Angaben des Produzenten “eine politisch unkorrekte Komödie” über Lehrer und Schüler.tur, Bildschirm und Maus.

 

 

Kino-Geschichten.

 

Die geistliche Obrigkeit sieht sich veranlasst. . . . .

Auch in Wermelskirchen lief der Film „Die Sünderin“ mit Hildegard Knef in der Hauptrolle. Die Attraktion dieses Film war ja bekanntlich die eine Szene, in der Hildegard Knef einen kurzen Augenblick unbekleidet zu sehen war. Es war der erste und einzige Film zu der Zeit, in dem für das allgemeine Kinopublikum – natürlich ab 18 Jahren - eine Nacktszene gezeigt wurde. Viele Leute kamen – häufig vor dem Eingang nach rechts und links sichernd, ob man auch nicht von Bekannten beobachtet wurde – um den kurzen aber dennoch sensationellen Blick auf die nackte Akteurin zu erhaschen.

Weil er Gefahr für die Moral seiner Schäfchen befürchtete, postierte sich unser  katholischer Seelsorger, der legendäre Dechant Zentis, in der Nähe des Kinoeinganges. Seine Anwesenheit hat sicherlich den geschäftlichen Erfolg des Films in unserer Stadt geschmälert, denn es konnte beobachtet werden, dass einige im Angesicht der geistigen Obrigkeit ihre Zielstrebigkeit abrupt aufgaben und scheinheilig das nächstgelegene Schaufenster ansteuerten, bewegt von Selbstvorwürfen, dass sie den Film nicht schon in der Nachbarstadt besucht hatten, was andere Wermelskirchener ohnehin getan haben. 

 

Ein Western der besonderen Art.

In den 70er Jahren, es war die Zeit der Sparwelle bei den Filmverleihern, kamen die Filme nicht nur sehr spät nach Wermelskirchen, sondern auch mit zum Teil sehr schlechten Kopien. Es lief ein Wild-West-Film. Der erste Spieltag, Freitagabend, der Hauptfilm begann normal.  In fortgeschrittener Handlung zieht der Bösewicht sein Schiesseisen, man sieht, dass er den Finger krümmt, dann, nach einem plötzlichen Szenensprung sich sein Gegenüber krümmt und mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammenbricht – aber es ist kein Schuss gefallen. Sekunden später, der Zusammengebrochene steht fast wieder, ein Schussknall dröhnt durchs Haus, der Getroffene fällt die eben nicht gezeigte Strecke, um dann nach einem weiteren Szenensprung am Boden zu liegen. Diese durchaus ernste Szene schaffte helle Begeisterung und Lachsalven beim Publikum und helle Aufregung beim Operateur. Zu allem Überfluss nahm der auf diese seltsame Weise brutal getötete nach einger Zeit wieder quicklebendig am Geschehen teil. Dafür fehlte aber das nach einem Streit der beiden Akteure zu erwartende tödliche Duell. Die Handlung setzte dafür unvermittelt ohne den viel zu früh Getöteten fort. Das Publikum war erstaunt bis verwirrt, der Operateur verärgert, weil der Vorspieler nicht nur Filmrollen vertauscht hatte, sondern auch Szenen nach offensichtlichen Filmrissen in falscher Folge zusammengeklebt hatte. Der Schaden konnte nach mehreren Filmdurchläufen bis zur nächsten Vorstellung behoben werden.

Der verlorene Polizist.

Es war einmal . . .  als man noch regelmäßig Polizeibeamte auf Streifengang in den Straßen erleben durfte.

Vornehmlich bei Regen und kaltem Wetter wurde das Kino in die polizeilichen Kontrollen einbezogen. Mit sinkenden Temperaturen verlängerten sich naturgemäß die Kontrollzeiten, was manchmal dazu führte, dass Beamte vermisst wurden und der verantwortliche Wachführer seinerseits zur Kontrolle seiner Beamten ausrückte. Dabei kam er natürlich auch ins Kino mit der Frage: „Guten Abend Froll’n Schiffler, sind meine Beamten hier?“ worauf die so (als unverheiratete Frau mit Fräulein anzuredende) Luise Schiffler erwiderte „Die waren hier, schauen Sie doch mal im Saal nach“.

Er sah natürlich nie einen der Gesuchten, denn die standen am linken Saaleingang zwischen dem ersten und zweiten Vorhang, weder von hinten noch von vorne zu sehen, und führten ihre wärmende Kontrolle durch.

 

Der Verfasser

Klaus Schiffler wurde am 30.11.1938 als Sohn des Erich Schiffler und seiner Frau Maria geb Guntermann geboren.

Sein Vater war zur damaligen Zeit Geschäftsführer eines Kinos in Köln und Mitglied der Reichsfilmkammer, seine Mutter war vor ihrer Ehe bei der Geschäftstelle der Reichsfilmkammer in  Düsseldorf beschäftigt. Der Grossvater des Verfassers war der Gründer dieses Kinos. Seine Tanten, Ada und Luise Schiffler, die Schwestern seines Vaters, führten die Reichshallen-Lichtspiele weiter. 

Die Beziehung zum Kino erwuchs bereits im Kindesalter, als der junge Mann gelegentlich, wenn seine Tante Luise vorführte, vom Vorführraum aus Filme betrachten durfte. Auf einem Stuhl stehend, auf den mit zahlreichen, viel Wärme produzierenden  Röhren bestückten und mit einem Gitter abgedeckten Tonverstärker gestützt war der Blick auf das Geschehen auf der entfernten Leinwand gerichtet. Der Genuss, der manchmal nur für einige Filmausschnitte galt, wurde allerdings nach jeweils 15 Minuten ohne Rücksicht auf die Spannung der Handlung unterbrochen mit dem Kommando „Jetzt musst Du runter“. Nämlich immer dann, wenn ein Aktwechsel und das Umschalten von einer Maschine auf die andere das Eingreifen des/derVorführenden erforderlich machte.

Bei der Wiedereröffnung des Kinos im Jahr 1952 wurde der Grundstein für die aktive Mitarbeit im Kino gelegt. Damals noch 15-jährig übernahm der Verfasser familiär-ehrenamtlich die Funktion eines Platzanweisers, zuständig für den Balkon (die besten Plätze). In den ersten Monaten bereitete es immer eine diebische Freude, wenn bei den häufigen Polizeikontrollen ein neuer Beamter den Platzanweiser als vermeintlich nicht zugelassenen Besucher des Theaters verweisen wollte und dieses Vorhaben durch die bündige, von der Tante bestätigte  Erklärung: „Ich helfe hier nur und sehe den Film nicht an.“ zunichte gemacht wurde.

Erst durch die  Einberufung zur Bundeswehr im Herbst 1959 und der damit verbundenen Versetzung in das Ruhrgebiet und andere weiter gelegene Standorte konnte der interessante Job im Kino nicht mehr ausgeübt werden. Aber auch in den Folgejahren wurden anlässlich kurzer Heimat-Urlaube, wenn Not am Mann war, auch schon mal in Uniform Karten abgerissen und Plätze angewiesen.

Von 1968 an, der ständige Wohnsitz war wieder Wermelskirchen, gehörten die Wochenenden des nun in Köln Dienst tuenden Berufssoldaten wieder dem Kino.

Ada, die ältere der beiden Tanten, war in dem Jahr verstorben, das Kino wurde von Luise Schiffler alleine geführt.

Als 1972 auch Luise Schiffler starb, war die grosse Frage: „Was machen wir mit dem Kino?“

Als Ergebnis reiflicher Überlegungen und der Warnung seiner Tante Luise „Wenn mir was passiert, lass die Finger vom Kino!“ zum Trotz übernahmen der Verfasser und seine Frau Christel das Kino und führen es seitdem in der dritten Generation.

Es ist wohl doch etwas dran an dem was alte Kinohasen sagen: „Wer es einmal anfängt, kann es nicht mehr lassen.“  - War die Warnung so gemeint? –

 

 

Schlussbetrachtung (. . . . zu dem bisherigen Geschehen).

Seitdem sind über 40 Jahre vergangen, Jahre mit Höhen, Tiefen und Sorgen um den Fortbestand des Kinos. Ein Rückblick zeichnet eine interessante Zeit, in der man viele Menschen oft als Kinder kennen gelernt hat, als Heranwachsende beobachten konnte, als junge Familie aus den Augen verloren hat, wiedersehen konnte als junge Eltern mit Kindern im kinofähigen Alter, mittlerweile auch als rüstige Senioren. Interessant auch wegen der Vielschichtigkeit der Filme, die alle gesehen wurden.

In der Erinnerung bleibt eine schöne Zeit.

Diese zu erhalten, dafür stehen die Zeichen gut. Das Film-Angebot ist quantitativ und qualitativ gut. Das „Film-Eck“ hat sich als Service-Kino in eine Nische entwickelt, in der ein Publikum zu finden ist, was nicht Film und Unterhaltung nur konsumieren sondern Kino erleben will. Die Idee des „Film-Eck“, altes Kino zu machen, wird angenommen und ist noch ausbaufähig. Es kann also noch weiter gehen

 

Und es geht weiter . . .